Dez20
2010

Auf allen Vieren – Der Allradantrieb 4MATIC

Veröffentlicht in 4MATIC 2 Kommentare »
Geschrieben 20. Dezember 2010 von


Nicht nur im Winter ein Gewinn: Der Allradantrieb 4MATIC

Seit über 100 Jahren bietet Mercedes-Benz Fahrzeuge an, an denen alle vier Räder angetrieben werden, seit 1987 gehört das Allradsystem 4MATIC zum Angebot. Die neueste Generation des Allradantriebs 4MATIC unterscheidet sich durch höheren Wirkungsgrad, geringeres Gewicht und kompaktere Bauweise von der bisherigen Allradtechnik. Diese Vorteile gegenüber dem Vorgängermodell machen sich durch bessere Traktion und eine günstigere Kraftstoffökonomie bemerkbar. So liegt der Verbrauch je nach Modell mit rund 0,2 bis 0,6 Liter je hundert Kilometer nur geringfügig über einem vergleichbaren konventionell angetriebenen Fahrzeug.

Die 4MATIC der neuesten Generation zeichnet sich durch ein geringes Mehrgewicht von (modellabhängig) 50 bis 70 Kilogramm und eine kompakte Bauweise mit geringerem Platzbedarf aus. Dadurch sind keine Modifikationen am Karosserierohbau erforderlich und der Fußraum des Beifahrers wird nicht eingeschränkt. Zudem trägt die kompakte Bauform zu einem besseren Geräusch- und Schwingungsverhalten bei.

4MATIC in der aktuellen S-Klasse (W221)

Das 4MATIC-Verteilergetriebe mit einem Zentraldifferenzial in Planetenbauweise und zwei Kegelrädern, die den Seitenabtrieb zur Vorderachse bilden, ist in das bei den 4MATIC-Modellen grundsätzlich serienmäßige 7G-TRONIC PLUS Automatikgetriebe integriert. Das Zentraldifferenzial stellt die Momentenverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse von 45 zu 55 Prozent her, die sich positiv auf Fahrstabilität und Traktion auswirkt. Weitere Besonderheiten des Antriebsstrangs sind der seitliche Abtrieb zur Vorderachse sowie das hintere Kreuzgelenk, welches im Abtriebszahnrad des Nebenabtriebs integriert ist. Diese bauraumoptimierte Konstruktion ermöglicht es, die Gelenkwelle zur Vorderachse sehr nah am Getriebe zu führen, ohne Änderungen am Karosserierohbau vornehmen zu müssen. Der bessere Wirkungsgrad des 4MATIC-Antriebs basiert im Vergleich zu den Vorgängermodellen maßgeblich auf dem Wegfall der Zahnradstufe beim Nebenabtrieb des Verteilergetriebes und auf einer verbesserten Ölversorgung. Denn durch die integrierte Bauweise haben Haupt- und Verteilergetriebe einen gemeinsamen Ölhaushalt.

Permanenter Allradantrieb 4MATIC jetzt erstmals für den CLS

Jüngstes Mitglied der 4MATIC-Familie: der neue CLS

Mercedes-Benz ist seit Jahren weltweit erfolgreich als 4×4-Anbieter im Premiumsegment. Seit Einführung der M-Klasse (Baureihe W163) im Jahr 1997 stieg die Produktion sprunghaft. Heute bietet Mercedes-Benz 48 Pkw-Modelle mit 4MATIC in insgesamt zehn Pkw-Baureihen (C-, E-, M-, R- & S-Klasse, CL, CLS, G-Modell, GLK und GL) sowie im Viano an. Ein wesentlicher Grund für den Markterfolg ist das beeindruckende Leistungsvermögen des Antriebskonzeptes 4MATIC auf verschneiter oder vereister Straße: hohe Traktionsreserven, ausgezeichnete Fahrstabilität, bestmögliche Sicherheit und ein außerordentliches Komfortniveau.

Jüngstes Mitglied in der 4MATIC-Familie ist der neue CLS ([intlink id=“3121″ type=“post“]Baureihe C218[/intlink]). Das viertürige Coupé ist mit den Modellen CLS 350 CDI 4MATIC BlueEFFICIENCY und CLS 500 4MATIC BlueEFFICIENCY erstmals mit Allradantrieb verfügbar.

Kleiner technischer Exkurs – 4MATIC ist nicht „nur“ ein Allradantrieb

Wie bei der 4MATIC-Abstimmung auf trockener oder nasser Straße gilt auch bei winterlichen Straßenverhältnissen: Die Fahrstabilität und damit die aktive Sicherheit stehen immer im Vordergrund. Das mechanische Fundament der 4MATIC mit der Momentenverteilung von 45 zu 55 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse und die Lamellensperre im Zentraldifferenzial mit einer Grundsperrwirkung von 50 Nm bieten optimale Voraussetzungen. Diese Grundkonzeption ermöglicht hohe Traktionswerte, weil die beim Beschleunigen auftretende dynamische Achslastverschiebung Richtung Hinterachse genutzt wird, um dort mehr Antriebsmoment abzusetzen. Die Lamellensperre kann das Antriebsmoment aber auch variabel zwischen Vorder- und Hinterachse verschieben, falls die Straßenverhältnisse das erfordern. So kann der Eingriff der elektronischen Regelsysteme ESP®, 4ETS oder ASR möglichst spät erfolgen, ein Großteil des Antriebsmoments wird auch auf glatten Straßen in Vortrieb umgesetzt. Alle Regeleingriffe erfolgen fast unmerklich. Trotzdem erfährt der Fahrer sofort, wenn er sich dem Grenzbereich nähert. In diesem Fall blinkt im Kombi-Instrument ein gelbes Warnsymbol. Dies ist das eindeutige Signal, die Fahrweise den Straßenverhältnissen anzupassen.

4MATIC

Die Auslegung als permanent arbeitende Antriebsmechanik hat entscheidende Vorteile gegenüber anderen Systemen, die zur Aktivierung des Allradantriebs erst einmal mangelnde Traktion erkennen müssen. Diese Zeitspanne nutzt die 4MATIC bereits, um Antriebsmoment über die Räder auf die Fahrbahn zu übertragen. Beim Anfahren unter winterlichen Bedingungen können die 4MATIC-Modelle optimale Traktion aufbauen. Dazu werden bestimmte Fahrbahnzustände automatisch erkannt und die Eingriffe des Allrad-Regelsystems 4ETS so beeinflusst, dass ein möglichst hohes Beschleunigungsvermögen bei minimalem Radschlupf und damit bester Fahrstabilität erreicht wird. Diese Strategie ermöglicht auch ein Anfahren unter widrigsten Bedingungen, wenn beispielsweise das Fahrzeug einseitig auf einer vereisten Steigung steht (das so genannte µ-Split) oder beide Räder der Vorder- oder Hinterachse geringen Halt finden (µ-Sprung).

Beim Anfahren auf „µ-Split“ steht das Fahrzeug mit einer Fahrzeugseite auf Schnee oder Eis und mit der anderen auf Asphalt. Es liegen also große Reibwertunter-schiede zwischen der linken und rechten Fahrzeugseite vor. Dabei limitiert bei allen Fahrzeugen mit offenen Achsdifferenzialen das Rad mit dem kleineren Reibwert die maximal übertragbare Antriebskraft. Wenn die Antriebskraft über die maximal übertragbare Kraft hinaus gesteigert wird, beginnen die auf Schnee oder Eis stehenden Räder durchzudrehen. Das Fahrzeug könnte nicht anfahren. Diese Situation erkennt das 4ETS sofort und verhindert durchdrehende Räder durch gezielten Druckaufbau in den Radbremsen. Da sich nun das Rad mit dem höheren Reibwert an der Bremskraft des Rades mit dem kleineren Reibwert abstützt, setzt sich das Fahrzeug mit 4MATIC in Bewegung. Nach dem Anfahrvorgang wird das Radverhalten genau beobachtet und der Bremsdruck so geregelt, dass sich nach Möglichkeit kein Drehzahlunterschied zwischen den einzelnen Rädern ergibt. Der 4ETS-Bremseingriff simuliert sozusagen auf der Seite mit Eis oder Schnee einen höheren Reibwert, der im Idealfall dem Reibwert auf der Asphaltseite entspricht. So wird eine optimale Quersperrwirkung an den Achsdifferenzialen erzeugt und die maximal mögliche Beschleunigung auf µ-Split erreicht.

Problemloses Anfahren auf unterschiedlichen Reibwerten (µ-Split)

Das Anfahren auf „µ-Sprung“, bei dem das Fahrzeug mit einer kompletten Achse auf Eis oder Schnee und mit der anderen Achse auf Asphalt steht, wird durch die großen Reibwertunterschiede zwischen Vorder- und Hinterachse erschwert. Bei Fahrzeugen mit offenem Längsdifferenzial bestimmt die Achse mit dem kleineren Reibwert die absetzbare Antriebskraft. Hier wirkt zwar die Lamellensperre mit ihrer Grundsperrwirkung von 50 Newtonmeter ausgleichend, kann jedoch diese extremen Reibwertunterschiede nicht kompensieren. Auch unter diesen Bedingungen beginnen die beiden Räder der Achse mit dem kleineren Reibwert durchzudrehen, wenn die Antriebskraft die auf diesem Reibwert maximal absetzbare Antriebskraft übersteigt. Abhilfe schafft hier das 4ETS, indem es die durchdrehenden Räder sofort erkennt und abbremst. Dadurch kann sich die Achse mit dem höheren Reibwert an der gebremsten Achse mit dem kleineren Reibwert abstützen – das 4MATIC-Fahrzeug setzt sich in Bewegung.

Problemloses Anfahren auf unterschiedlichen Reibwerten (µ-Sprung)

Auf kurvigen Schnee- und Eisfahrbahnen wird die Stabilität des Fahrzeugs maßgeblich durch die Motormomentenregelung in der Antriebs-Schlupfregelung 4ETS sichergestellt. In Abhängigkeit der laufend aus der ESP®-Sensorik ermittelten Längs- und Querdynamik des Fahrzeugs werden die 4ETS-Regelschwellen der Fahrsituation angepasst. Um ein Ausbrechen des Fahrzeugs zu verhindern, muss die Längskraft bei Kurvenfahrt mittels der Motormomentenregelung so geregelt werden, dass immer eine ausreichende Querkraftreserve zur Verfügung steht. Um diesem physikalischen Zusammenhang gerecht zu werden, werden bei Kurvenfahrt auf Niedrigreibwert die Regelschwellen für die Motormomentenregelung an den kurvenäußeren Rädern deutlich abgesenkt, damit die Reifen ausreichend Querkräfte aufbauen können.

Dazu wird bei Kurvenfahrt auf Niedrigreibwert die Stabilität des Fahrzeugs hauptsächlich durch Eingriffe des ESP® und der Antriebs-Schlupfregelung ASR so geregelt, dass immer eine ausreichende Querkraftreserve zur Verfügung steht. Es wird zunächst nur so viel Motormoment an die kurvenäußeren Räder übertragen, damit die Reifen ausreichend Querkräfte aufbauen können. Kann durch diese Regelung keine Fahrstabilität hergestellt werden, folgen stabilisierende Bremseneingriffe des ESP®.

Stabiles Fahrverhalten bei Kurvenfahrten

Im Gegensatz zu den Regelmechanismen bei Kurvenfahrt kann beim Beschleunigen auf gerader Strecke deutlich mehr Längskraft abgesetzt werden, da die Reifen kaum Querkräfte übertragen müssen. Dabei ist es wichtig, dass die Reifen im optimalen Bereich der µ-Schlupfkurve arbeiten können. Um dies zu erreichen, werden in dieser Fahrsituation die Regelschwellen für die Motormomentenregelung angehoben. Bei niedrigen Reibwerten auf Schnee- oder Eisfahrbahnen wirkt hier die Lamellensperre im Verteilergetriebe, die den Antriebsstrang in Längsrichtung mit 50 Newtonmetern sperrt. Diese Sperrwirkung erhöht deutlich das Traktionsvermögen, ohne die Regelsysteme negativ zu beeinflussen. Durch die Achsübersetzungen können damit 150 Newtonmeter an den Rädern abgesetzt werden.Unter bestimmten winterlichen Bedingungen kann es erforderlich werden, die Regelsysteme mit dem „ESP® OFF“-Schalter zu deaktivieren. Das ist der Fall, wenn hohe Schlupfwerte an den Rädern nötig sind – etwa beim Freiwühlen aus Tiefschnee mit oder ohne Schneeketten. Beim Bremsen steht dem Fahrer auch im ESP-OFF die volle Unterstützung der Regelsysteme zur Verfügung. Zurück auf normal verschneiter Fahrbahn, sollte der Fahrer die Regelsysteme wieder aktivieren.

Seite 2: Die Geschichte des Allradantriebs bei Mercedes-Benz

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Geschrieben von Oliver Hartwich
Erschienen am Montag, den 20. Dezember 2010 um 13:28 Uhr  |  55.979 Besuche

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2 Kommentare zum Beitrag “Auf allen Vieren – Der Allradantrieb 4MATIC”

  1. 1
    Marc schreibt:

    Sehr gute Zusammenfassung – auch technisch gesehen. Und gut verständlich, ohne zuviel technisches Fachgeplapper.


    Trackbacks / Pings

  1. 3
    Verbrauch 250CDI mit und ohne 4matic : Mercedes C-Klasse W204 schreibt:

    […] sind 0,2-0,6 Liter mehr, auch laut "offizieller" Version. Was zZ. in irgendwelchen 204 Konfiguratotoren steht … naja, kA, […]

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