Apr22
2012



Der Geist des Klassikers: Beim sechsten Lauf der DTM 2006 startete Alexandros Margaritis auf dem Nürburgring mit einer Mercedes-Benz AMG C-Klasse. Der Tourenwagen zeigte auf den Seiten die Silhouette des Mercedes-Benz 300 SLR aus dem Jahr 1955 mit dem Stirling Moss damals die Mille Miglia gewonnen hat.

Der Geist des Klassikers: Beim sechsten Lauf der DTM 2006 startete Alexandros Margaritis auf dem Nürburgring mit einer Mercedes-Benz AMG C-Klasse. Der Tourenwagen zeigte auf den Seiten die Silhouette des Mercedes-Benz 300 SLR aus dem Jahr 1955 mit dem Stirling Moss damals die Mille Miglia gewonnen hat.

Mercedes-Benz und die Mille Miglia, das ist eine faszinierende Geschichte, reich an motorsportlichen Sternstunden. Zu diesen Höhepunkten gehört auch der erste Einsatz der Mercedes-Benz 300 SL Rennsportwagen (Baureihe W 194) bei den „Tausend Meilen“ vor 60 Jahren. Im Mai 1952 kommt Karl Kling als Zweiter ins Ziel, Altmeister Rudolf Caracciola holt Platz vier. Das ist der vielversprechende Auftakt für die Rückkehr von Mercedes-Benz auf die Bühne des internationalen Motorsports. An diese Premiere 1952 und an weitere Erfolge der Stuttgarter Rennabteilung bei dem vor 85 Jahren zum ersten Mal ausgerichteten legendären Straßenrennen erinnert Mercedes-Benz Classic zur diesjährigen Mille Miglia vom 17. bis 20. Mai 2012.

An dem Tausend-Meilen-Rennen von Brescia nach Rom und zurück wird ein originaler 300 SL Rennsportwagen teilnehmen. Die heutige Mille Miglia ist eine Oldtimerfahrt, an der nur Fahrzeugtypen teilnehmen dürfen, die in der Epoche des Straßenrennens (1927 bis 1957) gestartet sind. 2012 wird diese historische Mille Miglia – eine der faszinierendsten Klassiker-Veranstaltungen überhaupt – bereits zum 30. Mal ausgetragen.

Ziel der Veranstalter ist es, das Feld nicht nur mit authentischen Fahrzeugen zu besetzen, sondern möglichst viele Original-Fahrzeuge aus der Epoche der Straßenrennen auf die Strecke zu bringen. Neben dem 300 SL Rennsportwagen (W 194) ist Mercedes-Benz Classic deshalb mit einer großen Zahl weiterer exklusiver Fahrzeuge im Feld vertreten – vom Tourensportwagen SSK bis zum Rennsportwagen 300 SLR (W 196 S) und dem Seriensportwagen 300 SL (W 198 I). Darunter sind der 300 SLR, mit dem Juan Manuel Fangio 1955 die Mille Miglia bestritt (damals Startnummer 658, Platz 2 im Gesamtklassement) und der Seriensportwagen 300 SL, mit dem John Cooper Fitch den Klassensieg der GT-Sportwagen über 1,3 Liter Hubraum errang (Startnummer 417, Platz 5 im Gesamtklassement). Ebenfalls am Start ist ein Mercedes-Benz 180 D – eine Limousine dieses Typs siegte 1955 in der Dieselklasse.

Die Mille Miglia 2012 beginnt am 16. Mai mit der technischen Abnahme und weiteren Programmpunkten in Brescia. Unter anderem ist die Ausstellung „Mercedes-Benz Champions at Mille Miglia“ im Mille-Miglia-Museum von Brescia zu sehen. Mit dem Museum hat Daimler im Januar 2012 eine strategische Kooperation geschlossen. Die aktuelle Ausstellung zeigt neben dem Start der 300 SL Rennsport-Prototypen 1952 unter anderem die legendären Siege von Rudolf Caracciola auf Mercedes-Benz SSKL im Jahr 1931 und von Stirling Moss auf Mercedes-Benz 300 SLR im Jahr 1955 zum Thema.

Am 17. Mai werden die 376 teilnehmenden Fahrzeuge in der historischen Altstadt von Brescia präsentiert, bevor um 18:30 Uhr der erste Wagen auf die Strecke geschickt wird. Bis zum späten Abend führt das Rennen am Gardasee vorbei über Verona, Vicenza und Padua nach Ferrara, dem ersten Etappenziel. Von hier aus geht es am nächsten Morgen (18. Mai) weiter nach Ravenna, durch die Republik San Marino und schließlich nach Rom. Die dritte und letzte Etappe führt von Rom nach Viterbo, Siena, Florenz, Bologna, Modena, Reggio nell’Emilia und Cremona, bevor die Teilnehmer am 19. Mai wieder in Brescia ankommen. Die Siegerehrung findet am 20. Mai statt. In diesem Jahr führt die Route der Mille Miglia durch die Provinzen Lombardei, Venetien, Emilia Romagna, durch die Marken, Umbrien, das Latium und die Toskana.

Die Fahrzeuge von Mercedes-Benz bei der Mille Miglia 2012: 

„Mille Miglia“, das 1.000-Meilen-Rennen von Brescia, 12. und 13. April 1931. Rudolf Caracciola und Beifahrer Wilhelm Sebastian am Ziel mit Mercedes-Benz Typ SSKL Rennsportwagen (Baureihe W 06 RS) in Brescia.

„Mille Miglia“, das 1.000-Meilen-Rennen von Brescia, 12. und 13. April 1931. Rudolf Caracciola und Beifahrer Wilhelm Sebastian am Ziel mit Mercedes-Benz Typ SSKL Rennsportwagen (Baureihe W 06 RS) in Brescia.

Mercedes-Benz SSK (Baureihe W 06), 1928 bis 1932

Von den Sechszylinder-Kompressor-Sportwagen der Mercedes-Benz S-Reihe ist der Typ SSK (Baureihe W 06) die exklusivste und faszinierendste Ausführung. Die Modellbezeichnung steht für Super-Sport-Kurz und bringt neben der besonderen Sportlichkeit auch den verkürzten Radstand zum Ausdruck. Am 29. Juli 1928 gewinnt Werksrennfahrer Rudolf Caracciola mit dem brandneuen SSK auf Anhieb das Gabelbachrennen sowie weitere Rennen, beispielsweise auf den Schauinsland und den Mont Ventoux. 1930 und 1931 verhilft ihm der SSK zum Gewinn der Europa-Bergmeisterschaft. Die gewichts­reduzierte und nochmals leistungsgesteigerte Version von 1931, auch als SSKL (Super-Sport-Kurz-Leicht) bekannt, erzielt ebenfalls spektakuläre Erfolge. Zu den bedeutendsten zählt der Sieg beim legendären 1000-Meilen-Rennen Mille Miglia: Das strapaziöse Straßenrennen von Brescia nach Rom und zurück gewinnt Rudolf Caracciola auf SSKL im April 1931 als erster Nichtitaliener.

Mille Miglia, 3. bis 4. Mai 1952. Das Fahrerteam Karl Kling und Hans Klenk (Startnummer 623) mit einem Rennsportwagen Mercedes-Benz Typ 300 SL (W 194, 1952).

Mille Miglia, 3. bis 4. Mai 1952. Das Fahrerteam Karl Kling und Hans Klenk (Startnummer 623) mit einem Rennsportwagen Mercedes-Benz Typ 300 SL (W 194, 1952).

Mercedes-Benz 300 SL (W 194), 1952

Mercedes-Benz steigt 1952 mit dem Rennsportwagen 300 SL der Baureihe W 194 wieder in den internationalen Motorsport ein. Grundlage des Sportwagens ist ein leichter Gitterrohrrahmen, über den sich eine elegant geschwungene Leichtmetallkarosserie aus Aluminium-Magnesium-Blech wölbt. Weil der Gitterrohrrahmen an den Seiten vergleichsweise hoch ansetzt, kann der W 194 nicht mit herkömmlichen Türen versehen werden; so kommt der Rennsportwagen zu den charakteristischen Flügeltüren, die am Dach angeschlagen sind. Dieses Detail wird 1954 der Seriensportwagen 300 SL (W 198 I) übernehmen. Als Antrieb des W 194 dient der 175 PS starke Reihensechszylindermotor M 194 mit 2996 Kubikzentimeter Hubraum. Seine Rennsport-Premiere erlebt der im März 1952 präsentierte 300 SL bei der Mille Miglia im Mai 1952. Zu den großen Erfolgen des W 194 gehören im Jahr 1952 der Dreifachsieg im Preis von Bern, die Doppelsiege beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans und bei der 3. Carrera Panamericana sowie der Sieg beim großen Jubiläumspreis vom Nürburgring.

Juan Manuel Fangio (Startnummer 658) kurz vor dem Start zur Mille Miglia 1955 im Mercedes-Benz Typ 300 SLR Rennsportwagen.

Juan Manuel Fangio (Startnummer 658) kurz vor dem Start zur Mille Miglia 1955 im Mercedes-Benz Typ 300 SLR Rennsportwagen.

Mercedes-Benz 300 SLR (W 196 S), 1955

Mit dem 300 SLR gewinnt Mercedes-Benz 1955 die Sportwagen-Weltmeisterschaft. Dieser Sportwagen ist im Prinzip ein mit zweisitziger Rennwagen-Karosserie versehener Formel-1-Rennwagen W 196 – jedoch mit einem Dreiliter-Reihenachtzylinder aus Leichtmetall anstelle des 2,5-Liter-Formel-1-Motors mit Stahlzylindern. Mit 310 PS ist der 300 SLR seinen Konkurrenten 1955 überlegen, was er durch Doppelsiege bei der Mille Miglia, beim Eifelrennen, beim Großen Preis von Schweden und bei der Targa Florio dokumentiert. Bei der Mille Miglia 1955 gewinnen Stirling Moss und Beifahrer Denis Jenkinson mit der bis heute unübertroffenen Durchschnittsgeschwindigkeit von 157,65 km/h; hilfreich bei diesem Sieg ist das „Gebetbuch“: ein damals neuartiger Streckenaufschrieb, mit dem Jenkinson seinen Piloten Moss dirigiert. Juan Manuel Fangio kommt als Solofahrer auf Rang zwei. In Schweden und bei den 24 Stunden von Le Mans überraschen die 300 SLR mit der sogenannten Luftbremse – einer 0,7 Quadratmeter großen Fläche über der Hinterachse, die vom Fahrer beim Bremsen aufgeklappt werden kann, um die Bremswirkung zu verstärken. In Le Mans nimmt Mercedes-Benz die in Führung liegenden 300 SLR nach dem unverschuldeten Unfall des Belgiers Pierre Levegh aus dem Rennen.

Mille Miglia, Brescia in Italien, 1. Mai 1955. Sieger in der Serien-Sportwagenklasse: John Cooper Fitch und Kurt Gesell (Startnummer 417) auf Mercedes-Benz Tourensportwagen Typ 300 SL (W 198).

Mille Miglia, Brescia in Italien, 1. Mai 1955. Sieger in der Serien-Sportwagenklasse: John Cooper Fitch und Kurt Gesell (Startnummer 417) auf Mercedes-Benz Tourensportwagen Typ 300 SL (W 198).

Mercedes-Benz 300 SL (Baureihe W 198 I), 1954 bis 1957

Im Februar 1954 debütiert der 300 SL „Gullwing“ auf der International Motor Sport Show in New York. Der Hochleistungs-Sportwagen basiert auf dem legendären Rennsportwagen der Saison 1952. Ein leichter und verwindungssteifer Gitterrohrrahmen trägt Motor, Getriebe und Achsen. Wie bei der Rennsportversion lässt er jedoch keinen Platz für klassische Türen, und die Flügeltüren werden zum unverwechselbaren Merkmal des 300 SL (Baureihe W 198 I). Und auch sonst ist der „Flügeltürer“ ein echter Innovationsträger: Als weltweit erster Serien-Personenwagen wird er von einem Viertaktmotor mit Benzineinspritzung angetrieben. Dies steigert nicht nur die Effizienz, sondern auch die Motorleistung. 215 PS, 20 Prozent mehr als bei der vergaserbestückten Rennsportausführung, ermöglichen je nach verwendeter Endübersetzung eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 260 km/h. Damit ist der 300 SL der schnellste Serienwagen seiner Zeit und wird zum Traumsportwagen der 1950er-Jahre. Bei der Mille Miglia fährt er zum Sieg. 1955 vom Team John Fitch/Kurt Gesell gefahren in der Gran-Turismo-Klasse über 1600 Kubikzentimeter, was ihm den 5. Platz im Gesamtklassement verschafft. Ebenfalls in der Gran-Turismo-Klasse belegt das Team Olivier Gendebien/Jacques Washer Platz 7 im Gesamtklassement. Auch 1956 fahren wieder 300 SL bei der Mille Miglia mit. In der großen GT-Klasse kommt das Team Fürst Metternich/Graf Einsiedel auf den 6. Platz.

Mille Miglia, Brescia in Italien, 1. Mai 1955. Sieger in der Dieselklasse: Oberingenieur Helmut Retter (Daimler-Benz Vertreter in Innsbruck) mit Beifahrer Wolfgang Larcher auf Mercedes-Benz Typ 180 D (W 120), Startnummer 04, bei einem Kontrollpunkt.

Mille Miglia, Brescia in Italien, 1. Mai 1955. Sieger in der Dieselklasse: Oberingenieur Helmut Retter (Daimler-Benz Vertreter in Innsbruck) mit Beifahrer Wolfgang Larcher auf Mercedes-Benz Typ 180 D (W 120), Startnummer 04, bei einem Kontrollpunkt.

Mercedes-Benz 180 D (W 120), 1954 bis 1959

Die erste Dieselmotor-Variante des Mercedes-Benz 180 der Baureihe W 120 hat im Januar 1954 Premiere. Damit bietet die Stuttgarter Marke ihre moderne Ponton-Limousine nun auch mit einem Selbstzünder-Aggregat an, das aus 1767 Kubikzentimeter Hubraum 40 PS leistet. Von 1953 (Vorserie) bis 1959 werden insgesamt 114.046 Limousinen des Typs 180 D gebaut. Mit den Renn- und Sportwagen, die 1955 als Favoriten auf den Gesamtsieg zur Mille Miglia starten, lassen sich die bis zu 110 km/h schnellen Diesel-Limousinen nicht vergleichen. Doch der 180 D ist ein hochmodernes Auto, mit selbsttragender Karosserie und dem sogenannten „Fahrschemel“, an dem die von Doppelquerlenkern geführten Vorderräder aufgehängt sind. Und er beweist seine Stärken wie seine Zuverlässigkeit in dem italienischen Straßenrennen: Mercedes-Benz setzt mehrere Fahrzeuge vom Typ 180 D mit den Startnummern 04, 09 und 010A ein, die einen Dreifach-Erfolg in der Dieselklasse bescheren.

Mercedes-Benz Siegplakat der Mille Miglia 1955 von Anton Stankowski

Mercedes-Benz Siegplakat der Mille Miglia 1955 von Anton Stankowski

 

Fotos: Daimler AG



Geschrieben von Maik Jürß
Erschienen am Sonntag, den 22. April 2012 um 13:45 Uhr  |  6.478 Besuche

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