2013
Wer Ganzjahresreifen verwendet, spart nicht nur die Anschaffungskosten für einen zweiten Reifensatz, es entfällt zudem der Aufwand des halbjährlichen Reifenwechsels. Doch bieten Allwetterreifen auch die gleiche Sicherheit wie Winterreifen? Und wie sehen die gesetzlichen Vorgaben aus?
Autofahrer, die bei Eis und Schnee mit Sommerreifen unterwegs sind, müssen laut aktuellem Bußgeldkatalog mit einer Strafe von 40 Euro rechnen. Sobald durch die falsche Bereifung eine Verkehrsbehinderung entsteht, können sogar 80 Euro und ein Punkt in Flensburg fällig werden. Jedoch gibt es hierzulande keine generelle Winterreifenpflicht, sondern nur eine situative. Das heißt, bei „winterlichen Straßenverhältnissen“ (Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte) darf laut Paragraf 2 Absatz 3a der Straßenverkehrsordnung nur Winter- oder Allwetterbereifung (gekennzeichnet durch das „M+S“-Symbol) verwendet werden. Bei Trockenheit dagegen sind Sommerreifen auch im Winter zulässig. Um sich sowohl die Kosten als auch den Aufwand des halbjährlichen Reifenwechsels zu ersparen, greifen daher immer mehr Fahrzeugbesitzer zu Ganzjahresreifen.
Ganzjahresreifen sind lediglich ein zweitklassiger Kompromiss
Die winterlichen Qualitäten eines Reifens bemessen sich nach drei Kriterien:
- Laufflächenmischung
- Profilbeschaffenheit
- Anzahl der Lamellen
All dies ist bei einem Winterreifen speziell für Kälte und winterliche Straßenverhältnisse ausgelegt. So ist die Beschaffenheit des Profils auf den sogenannten Griffkanteneffekt optimiert. Zahlreiche Lamellen (kleine Einschnitte innerhalb der Profilblöcke) fungieren als Griffkanten und sorgen auch bei rutschigen Untergründen für genügend Bodenhaftung. Zudem gibt es im Profil breite Rillen (hoher Negativanteil), in welchen sich Schnee sammeln kann. Die Schnee-auf-Schnee-Reibung sorgt dann für eine effiziente Traktion.
Sommerreifen dagegen müssen besonders gut auf trockenen und nassen Untergründen funktionieren. Um die Gefahr von Aquaplaning zu minimieren, sind ihre Laufflächen auf den sogenannten Wischkanteneffekt ausgelegt. Das Profil eines Sommerreifens besteht daher aus einer Vielzahl von Blöcken (höherer Positivanteil als beim Winterreifen), die an der Vorderseite eine Wischkante und dahinter eine härtere Haftungsfläche aufweisen. Dabei funktioniert die Wischkante wie ein Scheibenwischer, die Haftungsfläche verleiht dem Reifen dann den notwendigen Grip.
Damit sowohl Griffkanten- als auch Wischkanteneffekt gut funktionieren, müssen die Materialzusammensetzungen der zwei Reifenarten exakt den unterschiedlichen Temperaturbedingungen angepasst werden. Der Kautschukanteil ist hierbei das entscheidende Kriterium. Denn sobald die Außentemperatur zu stark sinkt, wird das Profil von Sommerreifen sehr hart und kann sich nicht mehr effektiv mit der Straßenoberfläche verzahnen. Entsprechend werden die Laufflächen von Winterreifen bei Wärme zu weich. Beide Fälle führen zu einer eklatanten Verschlechterung von Fahrstabilität und Grip.
Ganzjahresreifen sind ein fertigungstechnischer Kompromiss aus Winter- und Sommer-Pneus. Das bedeutet, ihre Materialmischung und die Profilbeschaffenheit sind weder für den Winter noch für den Sommer ideal geeignet. Daher weisen sie stets schlechtere Fahreigenschaften und Bremsqualitäten als ihre spezialisierten Vettern auf. Dies beweisen auch die renommierten Reifentests von ADAC und Stiftung Warentest.
Im Winterreifentest fallen Ganzjahresreifen durch
Wer Winter- oder Sommerreifen kaufen möchte, kann sich mithilfe der einschlägigen Testberichte von ADAC und Stiftung Warentest schon im Vorfeld bezüglich der Qualität verschiedener Reifenmodelle informieren. Im Winterreifentest 2011 bezogen die Prüfer auch erstmals sechs Ganzjahresreifen in die Testläufe mit ein. Das Ergebnis fiel ernüchternd aus: lediglich der Goodyear Vector 4Seasons erreichte die Gesamtnote „befriedigend“. Alle anderen Kandidaten (Ganzjahresreifen von Sava, Vredestein, Kleber, Hankook und Rigdon) fielen mit einem „ausreichend“ glatt durch. Insbesondere bei Schnee und Nässe versagten die Allwetter-Pneus auf ganzer Linie. „Wer auf sichere Fahreigenschaften im Winter Wert legt“, so das Fazit der ADAC-Testingenieure, „kommt um einen zweiten Reifensatz nicht herum.“
Geschrieben von Oliver Hartwich
Erschienen am Montag, den 14. Januar 2013 um 13:23 Uhr | 33.995 Besuche
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06. März 2015 um 08:42
fahre nur noch ca. 5000 Km im Jahr, im Winter sehr wenig, Wintersport nie, Berliner Raum.
Um den 2maligen Reifenwechsel zu sparen, könnte ich Allwetterreifen Fahren.
Jetzt fahre ich 245/45/17 Räder.
04. April 2017 um 17:45
Inzwischen dürfte wohl der Michelin der beste Ganzjahresreifen sein – oder? Siehe ADAC neuster Test.
Mfg. Evers.