Jun01
2010


Heute spielen die Klein- und Kompaktwagen für alle Hersteller eine immense Rolle. Bei Mercedes-Benz gewinnen smart, A-, B- und C-Klasse eine immere größere Bedeutung und Beliebtheit. Für die Stuttgarter begann der Erfolg der Kompakten mit dem Start des „Hundertneunzigers“, also der Baureihe W201, im Jahr 1982. Jedoch war dies bei weitem nicht der erste Wurf in Richtung „Baby Benz“.

Designmodell für eine eventuelle Mercedes-Benz Baureihe 122 Mitte der 1950er Jahre

Der Wunsch nach einem Fahrzeug mit kompakten äußeren Maßen und zugleich üppigen inneren Werten zieht sich durch die gesamte Unternehmensgeschichte von Daimler. Schon Carl Benz erkennt den Sinn und Zweck von kompakten Autos und bringt 1894 mit dem Velo ein kleines und leichtes Fahrzeug heraus, was mit seinen 1200 gebauten Exemplaren das erste Großserienauto darstellt. Im Jahr 1911 stellt Benz & Cie. dann den Typ 8/18 PS vor, der nicht nur preiswerter als sein Vorgänger 10/18 PS ist, sondern auch ein frühes Beispiel für „Downsizing“ darstellt. Gegenüber dem Benz 18 PS von 1905 beispielsweise hat das Vierzylindermodell bei gleicher Leistung einen um fast rund 40 Prozent reduzierten Hubraum. Der Typ 8/18 PS ist damit effizienter und hilft Steuern sparen – die 1906 eingeführte Luxussteuer für Automobile orientiert sich am Hubraum.

Benz 8/18 PS und Mercedes-Benz 5/25 PS

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg rücken kompakte und preiswerte Fahrzeuge wieder verstärkt in den Fokus. So konstruiert die Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) den Kompressor-Personenwagen 6/25 PS ausdrücklich als kompaktes und relativ preisgünstiges Fahrzeug, doch eine größere Verbreitung des technisch anspruchsvollen Fahrzeugs scheitert am Preis. Einen neuen Anlauf gibt es nach dem Zusammenschluss von Benz & Cie. und DMG im Jahr 1926: Unter der internen Bezeichnung W01 entsteht ein Fahrzeug mit 1,4 Liter Hubraum. Doch es wird zurückgestellt – genauso wie der Typ 5/25 PS, der im Jahr 1928 in einer Versuchsserie gebaut wird. Erfolgreich realisiert wird dagegen der Typ 170 (W15). Das preisgünstige und technisch innovative Einstiegsmodell hat 1931 Premiere – und wird ein großer Verkaufserfolg. So hat der W15 großen Anteil daran, dass Daimler-Benz die wirtschaftlich schwierige Zeit der frühen 1930er Jahre gut übersteht.

Entwurf des W01 und die 170 Limousine (W15)

Mercedes-Benz Baureihe W17. 1931 entstehen von dieser Baureihe 12 Versuchsfahrzeuge

Besonders in dieser Zeit besinnt sich Mercedes-Benz auf die Entwicklung von Kleinwagen und folgt somit 1934 mit seinen [intlink id=“1582″ type=“post“]Heckmotormodellen[/intlink] dem lauter werdenden Ruf nach einem kleinen Mercedes. Noch bevor die Baureihe W15 eingeführt wird, beginnen die Ingenieure und Techniker bei Daimler-Benz, ein nochmals preiswerteres und kompakteres Einsteigermodell in das Mercedes-Benz Pkw-Programm zu entwickeln. Das Ergebnis ist das Anfang 1934 vorgestellte Heckmotormodell vom Typ 130 (W23). Der 130 gilt zu seiner Zeit als wegweisende und moderne Konstruktion. Dennoch kann er sich auf dem Markt nicht durchsetzen – offenbar ist er seiner Zeit zu weit voraus, insbesondere mit seiner für einen Mercedes-Benz sehr ungewöhnlichen Form.

Heckantriebsentwürfe aus dem Jahr 1934

Nach nur zwei Jahren wird er vom 170 H (W28) abgelöst, der leistungsstärker und etwas größer, aber zugleich auch teurer ist. Als Einsteigermodell fungiert nun der zeitgleich mit dem 170 H vorgestellte Mercedes-Benz 170 V (W136), der Nachfolger des Typ 170 (W15) mit vorn angeordnetem Motor. Der 170 V kann den Erfolg seines Vorgängers noch steigern und wird zu einem der meistgebauten Mercedes-Benz Modelle in der Zeit vor 1945, allein bis Ende 1936 entstehen mehr als 12600 Fahrzeuge, und bis 1942 werden insgesamt fast 73.000 Stück produziert. Zudem bildet er nach dem Zweiten Weltkrieg die Basis für die Wiederaufnahme der Pkw-Produktion.

Studie und Serienfertigung des Typs 130 (W23)

Mercedes-Benz 130 V (Baureihe W144). Von dieser kompakten Baureihe entstehen in den Jahren 1935 bis 1937 insgesamt 18 Versuchsfahrzeuge als Zwei- und Viertürer.

Noch während der Produktionsvorbereitung des 170 V wird bei Daimler-Benz ein erneuter Anlauf zur Entwicklung eines kleineren Fahrzeugs unternommen. Gustav Röhr, seit 1935 neuer Leiter der Pkw-Entwicklung, plant eine vollkommen neue Pkw-Modellpalette, die modular konzipiert ist. Als kleinstes Modell ist der 130 V (W144) vorgesehen, ein für die damalige Zeit außerordentlich fortschrittliches Automobil. Er hat Frontantrieb und einen 24 kW starken wassergekühlten Vierzylinder-Boxermotor mit 1,3 Liter Hubraum. Angeflanscht ist ein Fünfgang-Getriebe, dessen fünfter Gang als Schongang ausgelegt ist. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/h und liegt damit etwas unter dem Mercedes-Benz 170 V. 18 Versuchswagen entstehen als Zwei- und Viertürer. Nach dem unerwarteten Tod von Röhr im August 1937 wird das gesamte Projekt aber zugunsten der etablierten Modelle gestoppt. Dabei trägt vielleicht auch der überragende Verkaufserfolg des 170 V bei.

Nachdem 1946 die Produktion wieder angelaufen ist und zunächst der W136 eine Renaissance erfährt, entwirft Daimler-Benz in den folgenen Jahren mehrere kleine Fahrzeuge, die aber meist das Stadium des Reißbretts nicht verlassen. Ein besonders kleines Automobil, zumindest für die Verhältnisse von Daimler-Benz, entsteht 1948. Es ist ein kompakter Wagen mit einer Gesamtlänge von 3,70 Metern. Er hat zwei Türen, vorn eine Sitzbank für bis zu drei Personen und hinten eine weitere kleine Bank. Als Motor ist für diesen Zweitürer ein Vierzylindermotor mit obenliegender Nockenwelle und einem Hubraum von 1,2 Litern vorgesehen, abgeleitet aus dem ebenfalls im Projektstadium befindlichen 1,8-Liter-Sechszylindermotor. Jedoch bleibt das Fahrzeug, wie auch die beiden Motoren, im Projektstadium stecken. Das 1,8-Liter-Aggregat wird später zum 2,2-Liter-Motor M 180 für den Mercedes-Benz 220 weiterentwickelt.

Projekt der Daimler-Benz AG nach dem Zweiten Weltkrieg für ein kleineres Fahrzeug. Es hat eine Gesamtlänge von 3,70 Metern. Josef Müller konstruiert es im Jahr 1948, zu einer Serienfertigung kommt es nicht.

Gut drei Jahre später beschließt der Daimler-Benz Vorstand im Februar 1953 die Konstruktion eines Wagens, der hinsichtlich Material- und Lohnkosten 15 bis 20 Prozent unter dem 170 V liegen soll. Er soll die beiden Modelle 170 V und 170 D ([intlink id=“823″ type=“page“]Baureihe 136[/intlink]) ablosen, nachdem der 170 S im Herbst dieses Jahres vom neuen 180 (Baureihe 120) ersetzt wird, dem „Ponton-Mercedes“. Bis zum Jahr 1956 erreicht das dann intern W122 genannte Fahrzeug eine beachtliche Reife und hat das Zeug zu einem großen Erfolg. Zur Serienproduktion kommt es aus zwei Gründen aber nicht. Zum einen übernimmt Daimler-Benz 1958 die Auto Union und somit besteht eine gewisse Interessenskollision zwischen einem großen DKW und einem kleinen Mercedes-Benz. Zum anderen lassen die kurz vor ihrer Markteinführung stehenden Modelle der Baureihe W111 mit ihrem neuen Sicherheitskonzept eine Baureihe W122 auf der konventionellen Plattform der Ponton-Baureihe W120, so wie in der letzten Version geplant, veraltet erscheinen. Aus heutiger Sicht ist das Aussehen der Baureihe 122 äußerst interessant: Schon Mitte der 1950er Jahre experimentiert man beim Design einer Limousine mit dem Elemten des SL-Gesicht und Mercedes-Benz dachte an eine Alternative zum traditionellen Mercedes-Benz Gesichts bei seinen Limousinen.

Designmodelle einer möglichen Baureihe 122

Doch gibt Fritz Nallinger seine Idee eines Anschlusstyps oder Grenztyps nach unten, wie er diese Fahrzeuggruppe definiert, nicht auf. Zumal mit dem Kauf der Auto Union mittelfristig Entwicklungsbedarf besteht. Denn es ist schon absehbar, dass die veralteten Zweitaktfahrzeuge der Auto-Union-Marke DKW keine Zukunft haben, und für ein schlüssiges Gesamtportfolio fehlt ein Mercedes-Benz Produkt unterhalb der bisherigen Modellklassen.

So konstruiert die Vorentwicklung in Untertürkheim unter der Leitung von Ludwig Kraus damals ein solches Fahrzeug unter der Projektbezeichnung W118. Für dieses sehen die Ingenieure einen ventilgesteuerten Boxermotor mit 1,5 Liter Hubraum und Frontantrieb vor. Zeitgleich wird ein neuer, hochverdichteter Vierzylinder-Reihenmotor (M 118) mit 1,7 Liter Hubraum erprobt. Später wird der W118 zum W119 weiterentwicklelt und erhält einen neuen hochverdichteten Motor, von Daimler-Benz H-Motor genannt, der mit seiner hohen Verdichtung von 1:11,2 und großer Sparsamkeit beeindruckt. Es entstehen Versuchsfahrzeuge, die mit ihrem SL-Gesicht, der niedrigen Gürtellinie, dem lichten Dachaufbau und der Heckgestaltung eine stilistische Nähe zum Pagoden-SL W113 haben.

Prototypen einer geplanten Baureihe 118 / 119

Als es in den Jahren 1962/63 bei Auto-Union tatsächlich zu massiven Probleme mit den Zweitaktmotoren des DKW F 102 gibt, schickt Nallinger Kraus zur Schadensbegrenzung dorthin. In seinem Gepäck befinden sich auch die Pläne für die Baureihe W119 und für den H-Motor. Dieser kommt von Mitte der 1960er Jahre an bei der Auto-Union unter der Bezeichnung Mitteldruckmotor zum Einsatz. Dadurch ermöglicht Daimler-Benz dem Tochterunternehmen die Ablösung der nicht mehr zeitgemäßen Zweitaktmotoren zugunsten moderner Viertaktmotoren. Die Auto-Union wird 1964/65 an Volkswagen verkauft.

Fritz Nallinger, der bis 1965 als Mitglied des Vorstand verantwortlich für den Bereich Forschung und Entwicklung ist, drängt weiterhin intensiv auf einen kleineren Mercedes, doch der Weg zum Baby-Benz ist land und mühselig. Wie schon 10 Jahre zuvor zur Geburt des Mythos SL kommen die wohl entscheidenen Anstöße wieder aus den USA. Dort gibt es Wünsche nach einem Mercedes-Benz als Zweitwagen. Zudem geben die Umweltbestimmungen des „Clean Air Act“ klare Vorgaben für den Flottenverbrauch und damit die Treibstoffökonomie der in den USA verkauften Modellpalette, die mit den damaligen Modellen nicht zu erfüllen war.

Das unter der Leitung von Nallingers Nachfolger Hans Scherenberg im Februar 1974 vorgelegte erste Lastenheft für die neue Baureihe 201 legt bereits eindeutig die Schwerpunkte und die Maße für den zukünftigen kleineren Mercedes-Benz fest. Die Abmessungen sind so klar definiert, dass das Serienfahrzeug, das erst fast neun Jahre später auf den Markt kommen wird, kaum von diesen Vorgaben abweicht. Werner Breitschwerdt, damals noch unter Scherenberg Karosseriechef in Sindelfingen, fackelt nicht lange und lässt 1974 einen Strich-Acht in der Länge und Breite aufschneiden und auf die reduzierten Maße der projektierten Baureihe 201 zusammensetzen. So kann er sich einen ersten unmittelbaren Eindruck von den Raumverhältnissen machen.

Gekürztes Fahrzeug der Mercedes-Benz Baureihe W114/115, das 1974 mit Hinblick auf die spätere Baureihe W 201 entstand, in dessen Maßen, um die Größe des neuen kleineren Mercedes-Benz darzustellen.

Bereits 1974 entstehen die ersten Entwürfe, die aber wie kleine S-Klassen der Baureihe 116 scheinen. Diese sogenannten „Mercedesle“, wie sie der Designer Andreas Langenbeck einmal treffend genannt hat, entsprechen nicht Bruno Saccos Vorstellung, weil sie keine formale Eigenständigkeit erkennen lassen. Sacco, der 1970 bei Daimler-Benz die Leitung der Abteilung Karosseriekonstruktion und Maßkonzeption übernimmt und 1975 die Nachfolge von Friedrich Geiger als Leiter der Hauptabteilung Stilistik atrittn und somit für die nächsten Jahre das Erscheinungsbild der Mercedes-Benz-Personenwagen prägt, zieht die Reißleine und verordnet seinen Mitarbeitern eine Auszeit vom Projekt, um ihnen einen neuen klaren Blick zu geben. Claus Hieke – später für das AMG-Design verantwortlich – sieht es immer noch als das große Verdienst Saccos an, dass er erkannt habe, Autos einfach maßstäblich zu verkleinern sein wenig zielführend.

Um kreativen Abstand zu gewinnen, lassen Breitschwerdt und Sacco die Mitarbeiter andere Projekte bearbeiten, um erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand einen neuen Anlauf zu nehmen. Das Rennen macht 1978 ein Entwurf Peter Pfeiffers, damals noch als Coupé ausgeführt, der aber bereits alle wesentlichen Elemente der späteren [intlink id=“2081″ type=“post“]W201[/intlink]-Karosserie enthält, beispielsweise der unscheinbare Knick, der vom Dach durch die Heckscheibe in der Kante des Kofferraumdeckels ausläuft. Aber auch erst viel später aufgenommene Details, wie die Türgriffe, die 1981 beim SEC-Coupé der [intlink id=“1273″ type=“post“]Baureihe 126[/intlink] in Serie gingn, die farblich abgesetzten seitlichen Kunststoffteile, 1988 bei der Modellpflege in das Programm aufgenommen, oder der Plakettengrill, 1991 bei der S-Klasse der [intlink id=“2385″ type=“post“]Baureihe W140[/intlink] verwirklicht, zeichnen diesen Entwurf aus. In der Vorstandssitzung vom 6. März 1979 in Sindelfingen erteilt der Vorstand die endgültige Formfreigabe. Die Karosserie überzeugt durch ihre formale Geschlossenheit und wird zum Markenzeichen einer neuen Design-Ära bei Mercedes-Benz.

Designentwürfe aus den 1970er Jahren für die 1982 erscheinende Mercedes-Benz Baureihe W201

(Fotos: Daimler AG)

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Geschrieben von Oliver Hartwich
Erschienen am Dienstag, den 01. Juni 2010 um 17:21 Uhr  |  74.771 Besuche

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4 Kommentare zum Beitrag “W118, W119 und W122: Die Vorreiter des Baby-Benz”

  1. 3
    Waldi schreibt:

    Hallo zusammen.
    Ich habe für den Mercedec W 8 oder W11 Vorder und Hinterachse mit Räder und Getriebe zu verkaufen.
    Vielleicht gibts hier ja jemand der die brauch.
    dive@waldi-tauchen.de

  2. 4
    Josef Herl schreibt:

    Ich habe keine alten Unterlagen und muss nachfragen:
    Der Typ 119 hat welche Reifengrößen ?
    Und welche Felgen zB. Alu 14 oder 15 Zoll mit der Einpresstiefe ?
    Danke fr die Hilfe !


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    Oldtimer - Oldies - Quiz Ia : Seite 1504 : Oldtimer schreibt:

    […] Und jetzt hab ich ihn auch "schon" gefunden… […]

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